Notfallpsycholog*innen fördern die individuellen Selbstheilungskräfte und die Widerstandsfähigkeit (Resilienz) von betroffenen Menschen in den Tagen und Wochen nach einem Extremereignis, um deren psychische Gesundheit trotz des Ereignisses zu erhalten, sodass das Risiko einer späteren Traumafolgestörung reduziert wird. Ziel ist es, die eigene Selbstwirksamkeit aufrechtzuerhalten oder wiederzuerlangen. Notfallpsycholog*innen führen keine Psychotherapie zur Heilung einer Traumafolgestörung durch.

In der Regel treffen sich Notfallpsycholog*innen mit ihren Klient*innen zu etwa 1-5 Sitzungen, im Abstand weniger Tage oder jeweils nach etwa einer Woche. Das kann im Rahmen von Einzelgesprächen stattfinden, oder aber auch mit Gruppen, die in ähnlicher Weise vom selben Ereignis betroffen sind (z.B. Familien, Kolleg*innen einer Abteilung, Personen einer Gefahrengemeinschaft). Dabei arbeiten sie häufig im sogenannten aufsuchenden Setting, das heißt, man trifft sich meist nicht in den Praxisräumen des/der Notfallpsycholog*in, sondern im persönlichen Umfeld der Betroffenen - beispielsweise zu Hause oder in einem separaten Besprechungsraum am Arbeitsplatz.

Im Rahmen dieser Sitzungen wird gemeinsam eine individuelle Strategie erarbeitet, wie mit dem Erlebten umgegangen werden kann, um die psychische Gesundheit zu erhalten. Dazu setzen Notfallpsycholog*innen Stabilisierungstechniken ein, erklären in verständlicher Weise die psychischen Abläufe im Gehirn nach Extremereignissen, aktivieren die Ressourcen der Klient*innen, beobachten systematisch den weiteren Verlauf der Belastung und vermitteln im Bedarfsfall individuell zugeschnittene Möglichkeiten einer psychosozialen oder traumatherapeutischen Weiterversorgung.

Aus der Sicht von Unternehmen und Behörden ist es sowohl aus Gründen der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers als auch aus wirtschaftlichen Gründen sinnvoll, im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen ein besonderes Augenmerk auf psychologische Notfall- und Krisenereignisse zu legen, um so möglichst antizipieren zu können, wie hoch das Risiko im Unternehmen bzw. in der Behörde oder in bestimmten Abteilungen ist. Je nachdem, bietet es sich an darüber nachzudenken, eigene Betriebspsycholog*innen mit Qualifikation im Bereich Notfallpsychologie zu beschäftigen, einen Vertrag mit einem EAP-Anbieter abzuschließen und/oder sich mit der zuständigen Berufsgenossenschaft bzw. Unfallkasse in Kontakt zu setzen (vgl. Finanzierungsmöglichkeiten). Zudem kann es sinnvoll sein, die Führungskräfte und Mitarbeitenden nicht nur im Akutfall notfallpsychologisch zu betreuen und Nachsorgeangebote zu haben, sondern auch regelmäßige Präventionsschulungen anzubieten, um sich adäquat auf mögliche psychologische Notfall- und Krisenereignisse vorbereiten zu können. Qualifizierte Notfallpsycholog*innen beraten sie gerne, um ein psychologisches Notfall- und Krisenkonzept für sie individuell zu erstellen.

Hinweis: Notfallpsychologische Beratung zur Prävention von Traumafolgestörungen wird derzeit nicht von den Krankenkassen finanziert. Betroffene müssen individuell Kontakt mit einem/einer Notfallpsycholog*in aufnehmen und diese*n auf Rechnungsbasis beauftragen. Berufsgenossenschaften und Unfallkassen übernehmen teilweise die Kosten für eine notfallpsychologische Beratung - nehmen Sie hierfür unbedingt Kontakt mit Ihrer Berufsgenossenschaft bzw. Unfallkasse auf! Darüber hinaus gibt es weitere alternative Bezuschussungs- oder Finanzierungsmöglichkeiten. Ihr*e Notfallpsycholog*in wird Sie hierzu im konkreten Fall beraten.